Warum, was, wie? Ein Zirkularitätsfaktor zur Orientierung

 

Die Stadt Wien verfolgt das Ziel, dass ab 2030 kreislauffähiges Planen und Bauen Standard bei Neubau und Sanierung ist. Dies setzt einen Paradigmenwechsel im Bauwesen voraus –bautechnische Anforderungen müssen neu formuliert und Prozesse neu strukturiert werden.
Der Zirkularitätsfaktor (ZiFa) 1.0 soll den Paradigmenwechsel hin zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen unterstützen, indem er bereits heute - in einem Erstentwurf - eine Orientierung dazu gibt, welche Aspekte zukünftig eine stärkere Rolle spielen werden und für die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft im Bauwesen relevant sind.

Warum braucht es Bewertungsparameter für zirkuläres Bauen?

 

Um zirkuläres Bauen umzusetzen, braucht es klare Angaben dazu, was unter "zirkulärem Bauen" verstanden wird, woran sich die Zirkularität eines Neubaus beziehungsweise einer Sanierung konkret misst und welche Faktoren dazu beitragen, das Kreislaufpotenzial zu erhöhen. Auf Basis dieser Vorgaben kann im Rahmen von "Pilot-/Startprojekten" strukturiert erprobt werden, was in der Praxis bereits möglich ist, welche Ziel- und Grenzwerte für eine Kreislaufwirtschaft im Bauwesen sinnvoll sind und wo noch Maßnahmen für eine breite Umsetzung fehlen. Darauf aufbauend können Rahmenbedingungen fundiert gestaltet werden, sodass kreislaufgerechtes Bauen ab 2030 angewandt wird - in anderen Worten, zum neuen Wiener Standard wird.
Die Stadt Wien arbeitet aus diesem Grund gemeinsam mit Partner*innen aus der Wissenschaft daran, Bewertungskriterien zu entwickeln. Diese Bearbeitung läuft unter dem Namen "Ein Zirkularitätsfaktor für Wien".

Was steckt hinter dem Zirkularitätsfaktor (ZiFa) 1.0? Was kann man sich darunter vorstellen?

 

Beim zirkulären Bauen spielen viele Faktoren eine Rolle. Es geht prinzipiell darum, bereits Produziertes oder Gebautes möglichst lange zu nutzen und dementsprechend zu reparieren sowie an sich verändernde Bedürfnisse anpassen zu können. Erst, wenn das nicht mehr möglich ist, sollen Gebäude in Einzelteile zerlegt werden können, die im Stoffkreislauf verbleiben und möglichst werthaltig rückgebaut und wiederverwendet werden. Recycling ist erst der letzte Weg. Aufgrund der Vielfalt der Vorgaben (von der Gebäudestruktur bis zur baustofflichen Ebene) braucht es eine Bewertungsmethodik, die verschiedene Themengebiete abbildet und Kriterien zu ähnlichen Themengebieten zusammengefasst, gegenüberstellt und gewichtet. Das im Zirkularitätsfaktor (ZiFa) 1.0 abgebildete Kriterien-Set versucht genau das.

Alles neu? Woran orientiert sich der Zirkularitätsfaktor (ZiFa) 1.0?

 

Nein! Das System integriert Erkenntnisse aus bereits bestehenden Gebäude- und Produktbewertungssystemen zum kreislaufgerechten Bauen und Sanieren und deckt Vorgaben wesentlicher rechtlicher Rahmenbedingungen ab. Insbesondere nimmt der Zirkularitätsfaktor Bezug auf die technischen Bewertungskriterien zum Umweltziel "Übergang zur Kreislaufwirtschaft" aus der delegierten Verordnung (EU)2023/2486 zur EU-Taxonomie-Verordnung (EU)2020/852, auf den in den technischen Bewertungskriterien verwiesenen EU-Berichtsrahmen Level(s) (Indikatoren 1.2, 2.1, 2.2, 2.3, 2.4), auf die Abfallhierarchie der EU-Abfallrahmenrichtlinie sowie auf die Grundanforderung 7 der EU-Bauprodukteverordnung "Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen" und das in diesem Kontext beschlossene Grundlagendokument zur Erarbeitung der OIB-Richtlinie 7.

Was liegt mit dem Zirkularitätsfaktor (ZiFa) 1.0 vor und was beinhaltet der Orientierungsleitfaden ZiFa 1.0?

 

Mit dem Zirkularitätsfaktor (ZiFa) 1.0 liegt ein umfassendes Kriterien-Set sowie ein Vorschlag für eine Systematik zur Bewertung zirkulärer Maßnahmen (in Neubau und Sanierung) vor -dargestellt in der Publikation "Orientierungsleitfaden ZiFa 1.0" Die Publikation "Orientierungsleitfaden ZiFa 1.0" beinhaltet neben Hintergrundinformationen zum Projekt, den relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen und der Methodik der Entwicklung des ZiFa 1.0-Kriterien-Sets eine detaillierte Beschreibung der 8 übergeordneten Kategorien (Indikatoren) und den in Summe 30 entlang der EU-Abfallhierarchie zugeordneten Kriterien (Subindikatoren) zum zirkulären Bauen. Die Publikation stellt somit ausführlich dar, welche Informationen zur Bewertung der Kreislauffähigkeit notwendig sind und mit welchen Strategien und Maßnahmen zum übergeordneten Ziel der Ressourcenschonung mit dem Werkzeug der Kreislaufwirtschaft beigetragen werden kann.

Wofür kann der Zirkularitätsfaktor (ZiFa) 1.0 eingesetzt werden?

  • Als "Check-Liste" für das zirkuläre Bauen: Die im Orientierungsleitfaden angeführten Indikatoren und Subindikatoren (Kriterien) können als "zirkuläre Check-Liste" gelesen werden, die aufzeigt, welche Aspekte bei der Planung berücksichtigt werden müssen, um zirkuläres Bauen zu ermöglichen. Ohne bereits eine gesamthafte Bewertung durchzuführen, trägt schon das Beachten der grundlegenden Gedanken und Ziele der einzelnen Kriterien in der Umsetzung dazu bei, dass Neubauten beziehungsweise Sanierungen ressourcenschonend(er), kreislauffähig(er) und somit nachhaltig(er) gestaltet werden.

  • Als erste Einschätzung zur Kreislauffähigkeit von Gebäuden (Neubau und Sanierung): Der Zirkularitätsfaktor (ZiFa) 1.0 ermöglicht eine erste Bewertung von Bauprojekten, um deren Kreislauffähigkeit messbar zu machen. Die Bewertung ist theoretisch mit der im Orientierungsleitfaden ausführlich beschriebenen Bewertungssystematik durchführbar, da alle erforderlichen Informationen für die Nachweisführung (inklusive Formeln, Punktevergabe et cetera) angegeben sind.

  • Als Orientierungsrahmen für die Gestaltung zirkulärer Rahmenbedingungen: Entlang der im Orientierungsleitfaden dargestellten Indikatoren und Subindikatoren (Kriterien) kann bereits heute evaluiert werden, welche der Vorgaben sich für die Integration in Rahmenbedingungen eignen, wo noch wesentliche Grundlagen für die Verankerung fehlen und in welchen Bereichen noch Barrieren und Herausforderungen bestehen (beispielsweise aufgrund fehlender digitaler/baukonstruktiver/prozessualer Lösungen, zirkulärer Geschäftsmodelle et cetera).

  • Als Diskussionsgrundlage für die Weiterentwicklung und Optimierung zirkulärer Bewertungsparameter (beispielsweise des ZiFas): Mit dem ZiFa 1.0 liegt nun ein erster Entwurf von Bewertungsparametern zum kreislaufgerechten Bauen und Sanieren vor. Die Inhalte sind in Gliederung und Detailschärfe so dargestellt, dass diese eine transparente und gut verständliche Diskussionsgrundlage für die Weiterentwicklung des Themas sowie zirkulärer Kriterien und Vorgaben darstellen.

Gilt der Zirkularitätsfaktor (ZiFa) 1.0 in vorliegender Form als abgeschlossen?

 

Nein! Das Themenfeld der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen unterliegt einem kontinuierlichen Wandel, der stetig neue Anforderungen und damit einhergehenden angewandten Forschungs- und Entwicklungsbedarf hervorbringt. Zudem ist es zur Sicherstellung der Praktikabilität, zum Ausloten sinnvoller Ziel- und Grenzwerte sowie zur Überprüfung, wie leicht sich die zirkulären Kriterien in die Praxis überführen lassen, wichtig, konkrete Erfahrungen in der Planungs- und Baupraxis mit dem ZiFa 1.0-Kriterien-Set zu sammeln, um darauf aufbauend das System weiterentwickeln und optimieren zu können. Schließlich ist der "Wiener Weg zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen" ein iterativer Prozess!